Was gute Kommunikation mit Persönlichkeitsentwicklung und Selbstempathie zu tun hat
Was hat die Spülmaschine mit guter Kommunikation zu tun?
Ich erzähle dir heute von einem Paar, das vor nicht allzu langer Zeit kurz davor war, sich zu trennen. Sie haben sich gestritten was das Zeug hält und keinen Ausweg mehr gesehen. Meistens waren es nur Kleinigkeiten, die sich dann zu sehr hässlichen, lauten Streits hochgeschaukelt haben. Keiner der beiden hat sich richtig verstanden gefühlt. „Die Spülmaschine ist nicht ausgeräumt“. Der andere ahnt schon, dass die Aussage etwas mit ihm zu tun hat und fühlt sich angegriffen, weil er sich angesprochen fühlt und die Aussage „Die Spülmaschine ist nicht ausgeräumt“ als Angriff auf seine Person sieht. Und so ging das immer weiter. Sie haben sich gegenseitig verletzt und angeschrien und sind immer wieder in der gleichen Schleife gelandet.
Kennst du das so oder so ähnlich auch aus deinem Alltag?
Ich muss sagen, mir ist diese Art zu kommunizieren nicht fremd. Ich mache aber die Erfahrung, dass es auch anders gehen kann. Warum mir eine gute, wertschätzende Kommunikation so wichtig ist, erfährst du in diesem Blogpost. Und auch wie es mit unserem Paar weitergegangen ist.
Natürlich ist das Ändern seiner Gewohnheiten Arbeit und man wird immer mal wieder in alte Muster zurückfallen. Zwischen Kindertaxi, Arbeit, Essen kochen, passiert es mir auch, dass ich nicht sofort super reagiere und einfach auch mal genervt bin. Wir sind alle auf dem Weg, mal klappt es besser, mal nicht so gut. Wenn man aber die Erfahrung gemacht, wie wertvoll es ist, seine Bedürfnisse hinter seinen Gefühlen zu erkennen, erinnert man sich gerne öfter an den neuen, am Anfang noch unbekannten Weg. Wenn man dann noch versucht, seine Bedürfnisse klar zu kommunizieren, ist das ein Meilenstein zu einem (meist 😉) friedlichen, wertschätzenden Miteinander.
Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es wieder heraus
Es gibt im Deutschen ein Sprichwort: „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es auch wieder heraus.“ Fügt man dann noch den Spruch „Liebe deinen Nächsten, so wie dich selbst“ hinzu, wird das Anliegen der gewaltfreien Kommunikation ziemlich treffend beschrieben.
Es geht darum, dass Menschen anfangen sich selbst zu mögen, mit sich selbst liebevoll umzugehen, sich anzunehmen, wie sie sind.
Wenn das gelingt, hören sie auf, sich selbst zu verurteilen, klein zu machen, sich zu beschämen und dies an Menschen in ihrer Umgebung weiterzugeben. Mit Sicherheit gibt es dann noch Situationen, in denen sie rückblickend gerne anders gehandelt hätten.
Sie werden das bedauern, vielleicht auch traurig oder frustriert sein. Das fühlt sich dann anders an als früher. Sie sind damit in der Gegenwart und können überlegen, ob sie etwas tun wollen und können, um diese Situation zu verändern.
Wenn Menschen aufhören, sich zu verurteilen und klein zu machen oder sich zu beschämen und sich stattdessen annehmen, wie sie sind, können sie das ebenfalls Schritt für Schritt mit anderen tun. Dabei helfen die folgenden Prinzipien:
- Alle Menschen, unabhängig von Geschlecht, Herkunft und Kultur, haben dieselben Bedürfnisse.
- Alles, was Menschen tun, dient oder soll dazu dienen, diese Bedürfnisse zu erfüllen -manchmal geschieht das auf eine Weise, die die Kommunikation unterbricht, anderen Menschen sogar körperlichen oder seelischen Schaden zufügt.
- Dieses anzuerkennen heißt nicht, die Handlungsweisen des anderen zu billigen.
- Die Erfüllung der Bedürfnisse ist nicht an eine bestimmte Person oder Handlung geknüpft.
- Die Ursache der Gefühle sind die eigenen unerfüllten oder erfüllten Bedürfnisse.
- Die Gefühle werden von Handlungen anderer ausgelöst und nicht verursacht.
- Handlungen anderer können Gefühle auslösen, aber nicht verursachen. Sie sind Trigger für unsere Gefühle.
Ein Beispiel bezogen auf unser Paar vom Anfang
Wenn einer der beiden jetzt den Satz „Die Spülmaschine ist nicht ausgeräumt“ hört, hat er bestimmte Assoziationen dazu. Gab es im Vorfeld keine Konflikte in Bezug auf die Spülmaschine, wird er andere Gefühle beim Hören des Satzes haben, als wenn es schon in der Vergangenheit häufig Auseinandersetzungen wegen der nicht ausgeräumten Spülmaschine gab.
Die beiden haben irgendwann gemerkt, dass sie so nicht mehr weiter machen können und waren bei einem Coaching bei mir. Sie waren unglücklich und unzufrieden. Die Frau hat angefangen, Blogs über das Thema Konflikte und Kommunikation zu lesen, versucht etwas davon umzusetzen und zu ändern, aber sie sie sind immer wieder in ihr altes Muster zurück gefallen.
Die vier Schritte zu einem wertschätzenden Miteinander
Das wichtigste ist erst einmal, bevor man etwas verändern kann, dass man ein Bewusstsein dafür bekommt, dass es auch eine andere Möglichkeit gibt, sich zu verhalten. Dafür habe ich ihnen die vier Schritte der gewaltfreien Kommunikation beschrieben und möchte das gerne auch mit dir teilen:
1. Die (wertfreie) Beobachtung
Der erste Schritt: Teile eine wertfreie Beobachtung mit. In der Alltagssprache vermischen wir häufig eine Beobachtung mit einem moralischen Urteil/Verurteilung, einer Beschämung, Diagnose oder Interpretation. Das bewirkt, dass dein Gegenüber hört, dass es etwas falsch/richtig gemacht hat, gut oder böse ist.
Dann fällt es diesem Menschen schwer, dir weiter zuzuhören, weil das zum Beispiel eine Verteidigungshaltung hervorruft („Du bist auch nicht besser“) oder zu Selbstvorwürfen führt („Ich kann es nie jemanden recht machen“). Die Kommunikation bricht ab. Das ist so, als wärst du mit deinem Handy in einem Funkloch und erhälst keine Antwort. In einer solchen Situation kannst du dich an einen anderen Platz bewegen, an dem es eine Netzverbindung gibt, um weiter in Kontakt zu sein.
Wendest du die Prinzipien der Gewaltfreien Kommunikation an, gibt es kein „Richtig“ oder „Falsch“ im Sinne einer moralischen Verurteilung. Es gibt Aussagen und Handlungen, die dein Leben und das von anderen bereichern, es erfreulicher und leichter oder schwieriger machen. Das ist das Kriterium für eine wertfreie Beobachtung.
Eine moralisch wertfreie Beobachtung kann folgende sein:
„Ich bin heute noch eine halbe Stunde im Bett geblieben, nachdem der Wecker geklingelt hatte.“
Die moralische Bewertung dagegen kann sein:
„Nie komme ich rechtzeitig aus dem Bett.“
Der Unterschied zwischen beiden Aussagen ist, dass du dich bei der ersten auf eine konkrete Situation beziehst. In der zweiten Aussage verallgemeinerst du die Handlung (deine oder die der anderen Person) durch das Wort „nie“. Du kannst damit nicht mit Sicherheit sagen, ob es tatsächlich „nie“ ist. Mit Sicherheit kannst du jedoch sagen, dass es heute der Fall gewesen ist.
Verallgemeinerungen werden oft als Vorwurf gehört und rufen Widerspruch, Diskussionen und Auseinandersetzungen hervor. Dadurch beginnt eine längere Diskussion – gegebenenfalls mit Gegenvorwürfen -, die nicht zielführend ist. Es ist wichtig, dass du dich bei der wertfreien Beobachtung auf eine konkrete Situation beziehst.
2. Gefühl erspüren
Im zweiten Schritt spürst du in dich hinein. Was genau fühlst du, wenn du bemerkst, dass du nach dem Wecker klingeln noch eine halbe Stunde im Bett geblieben bist? Wo in deinem Körper ist dieses Gefühl präsent? Möglicherweise bist du verwirrt? Oder sogar wütend? Vielleicht aber auch resigniert, weil du gerne vor der Arbeit noch Zeit gehabt hättest, in Ruhe zu frühstücken? Viele von uns haben gelernt, dass wir mit unseren Handlungen für die Gefühle anderer Menschen verantwortlich sind. Dies spiegelt sich in Aussagen wie diesen wider:
„Ich mache mit dir einen Spaziergang (obwohl ich überhaupt keine Lust dazu habe), weil ich dir zeigen will, dass ich dich liebe!“
„Du machst mich glücklich/unglücklich!“
„Ich werde wütend, weil du schon wieder nicht pünktlich zum Abendessen kommst.“
Mit solchen Aussagen geben wir die Verantwortung für unsere Gefühle ab bzw. übernehmen die Verantwortung für die Gefühle anderer.
Auf eine wichtige Unterscheidung möchte ich dich unbedingt noch hinweisen:
Deine Gefühle werden von Handlungen anderer ausgelöst, aber nicht verursacht. Die Ursache deiner Gefühle sind deine unerfüllten oder erfüllten Bedürfnisse. Du bist auch nicht die Verursacherin der Gefühle anderer Menschen.
3. Bedürfnisse erspüren
Durch den dritten Schritt kommst du mit deinen erfüllten / unerfüllten Bedürfnissen in Kontakt. Die Gefühle sind ein Hinweis, dass Bedürfnisse gerade erfüllt oder unerfüllt sind. Bleiben wir bei dem Beispiel mit dem Länger-im-Bett-Bleiben. Was genau brauchst du in dieser Situation?
Möglicherweise war dein Bedürfnis nach Nahrung bzw. in Ruhe frühstücken nicht erfüllt. Gleichzeitig hast du das Bedürfnis nach Ruhe und Entspannung erfüllt, indem du länger im Bett geblieben bist.
Die Erfüllung der Bedürfnisse ist nicht an eine bestimmte Person, einen bestimmten Ort, eine bestimmte Zeit, ein bestimmtes Objekt und/oder eine bestimmte Handlung geknüpft.
4. Bitte
Durch die Bitte als den vierten Schritt kommst du in Verbindung oder ins Handeln. Du kannst eine Bitte an dich selbst oder einen anderen Menschen richten. In der Gewaltfreien Kommunikation werden dabei zwei unterschiedliche Formen von Bitten unterschieden:
Die Verbindungsbitte
Sie unterstützt dich dabei, mit anderen in Verbindung zu kommen. Mit der ersten Art der Verbindungsbitte vergewisserst du dich, was der andere Mensch von dir gehört hat. Häufig hört er etwas anderes, als du gehört haben wolltest. Diese Rückversicherung gibt dir die Möglichkeit, dich noch einmal anders auszudrücken, um so verstanden zu werden, wie es dir wichtig ist:
Die Bitte an den anderen Menschen ist: „Was ist bei dir angekommen?“ Der Empfänger bestimmt, was er hört und wie er es hört.
Mit der zweiten Art der Verbindungsbitte findest du heraus, wie es dem anderen geht, wie er sich fühlt, wenn er von dir gehört hat. Sie kann entweder der ersten Verbindungsbitte folgen oder für sich alleine stehen:
„Wie geht es dir jetzt, nachdem du das nochmal in Ruhe angeschaut hast?
Die Handlungsbitte
Das ist die Form der Bitte, mit der du den anderen oder dich selbst bittest, etwas zu tun. Das ist die im Alltag übliche Bitte. Die Bitte in der Gewaltfreien Kommunikation ist:
Positiv – konkret – jetzt machbar
„Jetzt machbar“ ist besonders wichtig, weil niemand ein Versprechen für die Zukunft geben und zusichern kann, dass er es einhalten wird. Wenn du dir etwas für die Zukunft wünschst, kannst du den anderen bitten, dir jetzt zu sagen, wie es ihm geht, wenn er sich die Situation vorstellt.
Wenn du dich daran erinnerst, dass du morgens gerne noch eine Weile im Bett bleibst, nachdem der Wecker geklingelt hat und du gerne in Ruhe frühstückst, bist du verwirrt, wie du das lösen kannst. „Liebe/r…, wärst du bereit, den Wecker 20 Minuten früher zu stellen? Oder das Frühstück schon abends vorzubereiten? Oder…“ (vermutlich gibt es mehrere Lösungen).
Es geht nicht um das starre Auswendig lernen
Das sind die vier Schritte der gewaltfreien Kommunikation. Es geht meiner Erfahrung nach nicht primär um das Trainieren der vier Schritte für alle Zeiten und für jede Gelegenheit. Sondern es geht um Persönlichkeitsentwicklung und Selbstempathie. Es geht um das Fühlen im Prozess des Lernens und Wachsens, nicht um das starre Wiederholen „richtiger“ Schritte, Vokabeln und Redeweisen. Es ist keine Methode, sondern eine innere Haltung, eine Lebenseinstellung mit daraus möglichen Handlungsprinzipien.
Geduld, Geduld, Geduld
So ein Prozess geht nicht von heute auf morgen, unser Paar arbeitet daran, sich besser auszudrücken, in sich hinein zu fühlen und klar auszudrücken. Es wird für sie immer selbstverständlicher, sich Zeit zu nehmen, zu reflektieren und auf die eigenen Bedürfnisse und die des Anderen zu hören und diese gut mitzuteilen.
Ich hoffe, ich konnte dir einen ersten Einblick in eine bessere, wertschätzende Kommunikation geben und dir ein Gefühl dafür geben, warum es mir so wichtig, dass wir uns den Zusammenhang zwischen unseren Gefühlen und den darunterliegenden Bedürfnissen bewusst zu sein.
Ich freue mich immer über Feedback, gerne hier in den Kommentaren oder auch über das Kontaktformular.
Bis bald, Verena
Hinterlasse einen Kommentar